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Der Diamant

Ein Junge unter Männern: Wie Killian Hayes sein erstes Jahr als Anführer meistert.

Killian Hayes sitzt gemeinsam mit seinem Vater DeRon in der geräumigen Dreizimmerwohnung. Das Trainingszentrum ist keine fünf Minuten von Hayes` Wohnung entfernt, die ratiopharm arena vielleicht zehn. Das ist wichtig, denn der 18-Jährige hat noch immer keinen Führerschein. Ansonsten hat er sich gut eingelebt im neuen Land, der neuen Stadt, dem neuen Club. Nur die Sache mit der Kehrwoche ist ihm noch fremd. Aber das wird schon noch, denn Killian lernt schnell – das ist eine seiner größten Stärken.

„Das Schild hängt da schon seit ich eingezogen bin“, sagt Killian Hayes grinsend. „Kleine Kehrwoche“ lautet die Erinnerung, die die Hausverwaltung vor der Wohnung im Neu-Ulmer Stadtteil Vorfeld angebracht hat. In die schwäbische Eigenart hat Teambetreuerin Carolin Imhof Killian nicht eingeweiht, sie kümmert sich lieber selber drum. Darüber hinaus muss man dem 18-Jährigen kaum helfen, er hat sich innerhalb von sechs Monaten zu einem der Anführer einer Profi-Mannschaft entwickelt. „Wenn ich den Killian von heute mit dem zum Saisonstart vergleiche, sehe ich, dass er sich sowohl als Spieler, als auch als Persönlichkeit entwickelt hat“, sagt sein Trainer Jaka Lakovic. Sein wahres Alter merkt man Killian nur selten an; wenn er von Designer-Klamotten schwärmt oder einen zu riskanten Pass spielt, dann vielleicht.

„Wenn ich den Killian von heute mit dem zum Saisonstart vergleiche, sehe ich, dass er sich sowohl als Spieler, als auch als Persönlichkeit entwickelt hat." Jaka Lakovic

Hayes' Jubel-Pose nach einem erfolgreichen Dreier. Foto: Harry Langer
„Ich sehe mich nicht als 18-Jährigen, sondern als Profi, der in seinem dritten Jahr ist. Ich bin noch ein junger Spieler aber kein Rookie mehr“, sagt Killian über sich selbst. Nach zwei Spielzeiten in Cholet spielt der Point Guard tatsächlich schon sein drittes Jahr unter gestandenen Männern. „Bei manchen beginnt die Lernkurve eben früher“, sagt Per Günther und erinnert sich an sein drittes Profijahr. „Das ist das Jahr, in dem du allmählich anfängst zu glauben, dass da was gehen könnte. Bei Killian setzt dieser Prozess eben schon mit 18 Jahren ein“, so der mittlerweile 32-jährige Teamkapitän. 

Dem gängigen Entwicklungsschema ist Killian schon vor zwei Jahren entwachsen. Mit 16, als er zum ersten Mal im Profi-Kader von Cholet stand und regelmäßig mit den Erwachsenen trainierte, hatte er am Ende des Schuljahres ein Vierteljahr an Fehlstunden angesammelt. Das Schulsystem war nicht auf einen 16-jährigen Jungprofi eingestellt, also nahm Vater DeRon seinen Sohn noch vor dem Abschluss aus dem „Collège“. DeRon, der selbst als amerikanischer Profi 15 Jahre in Europa verbrachte, ist auch der Grund, warum Killian zunächst in Cholet und jetzt in Ulm landete. „Ich wollte, dass Killian sich mit harter Arbeit durchsetzt. In Amerika wird sehr vieles von Stars und Sponsoren dominiert. Das wollte ich nicht. Ich wollte, dass Killian sich hocharbeitet“, sagt sein Vater. Killian war damals anderer Meinung und auch heute hört man aus seiner Antwort den Jungen heraus, der es liebt, seine Urlaube in Amerika zu verbringen. „Ich wäre schon gerne ans College oder die High School gegangen. Wenn du dich dort durchsetzt, bist du ‚The man‘. Bei meinen Jugendspielen hat niemand zugeschaut und wir haben mit 50 Punkten Unterschied gewonnen.“ Erst als Hayes mit der französischen Junioren-Nationalmannschaft Erfolge feierte und für Cholet in der ersten Liga auflief, stieg das Interesse an ihm. „Letztlich bin ich sehr zufrieden, hier in Ulm zu sein“, sagt Killian heute.

„Ich wollte, dass Killian sich hocharbeitet.“ DeRon Hayes

Über mangelnde Aufmerksamkeit kann sich Hayes nicht mehr beschweren. Beim Ulmer EuroCup-Spiel gegen Monacco waren neun NBA-Clubs in der Halle, um Killian spielen zu sehen. Mit Jon Horst reiste sogar der General Manager der Milwaukee Bucks an. „Normalerweise musst du als Spieler einmal oder zweimal die Woche performen. Killian muss das in fast jedem Training, weil eben fast immer jemand da ist, der ihn beobachtet. Wie er damit umgeht, ist schon wirklich beeindruckend“, sagt Per Günther.
Killian Hayes lächelt nach dem 96:80-Heimsieg gegen den MBC für ein Erinnerungsfoto in die Kamera eines kleinen Ulmer Fans. Foto: Alexander Fischer
Cody Christensen hat den selben Eindruck. Der Amerikaner ist Film-Produzent und dreht für das US-Video-Portal „Overtime“ eine Dokumentation über Killian Hayes. Christensen lebt eigentlich in Berlin, für die Produktion ist er schon vier Mal für einige Tage aus der Hauptstadt nach Ulm gereist. Er sagt: „Ich habe Killian als einen außergewöhnlichen jungen Mann kennengelernt, der in der Lage ist, sich immer auf das zu konzentrieren, was als nächstes ansteht.“ Der Filmemacher hat Hayes stundenlang durch sein Kameraobjektiv beobachtet und dabei festgestellt: „Er ist so fokussiert – sowohl auf seine eigene Entwicklung, als auch auf den Erfolg der Mannschaft –, dass er Dinge, die um ihn herum passieren, ausblendet.“

Am 20. November 2019 war Killian Hayes so fokussiert, dass ihm etwas gelungen ist, das zuvor nur ein Spieler seines Alters geschafft hatte: Nur dem spanischen NBA-Star Ricky Rubio war es bisher als U19-Spieler gelungen – wie Hayes in Patras mit 12 Punkten und elf Assists – im EuroCup ein Double Double aufzulegen. Drei Monate später ist Hayes einer von drei Kandidaten, die für den EuroCup „Rising Star Award“ nominiert sind. Mit 6,2 Assists pro Spiel hat der Franzose die EuroCup-Hauptrunde als drittbester Assistgeber abgeschlossen. „Die Lösungen, die er im Pick & Roll findet, habe ich so noch nicht gesehen“, ist Per Günther beeindruckt.

Die komplette Story über Killian Hayes sowie die vollständige Ausgabe des OrangeZone.Magazin #3 im Online-Format findet ihr hier bei ISSUU.


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