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Montag, 21. November 2022

„Druck muss man wahrnehmen“

Hinter Anton Gavel liegen ereignisreiche erste Wochen als Head Coach von ratiopharm ulm. Der ehemalige Profi spricht über seine Eindrücke, Unerwartetes und Druck.

Seit den letzten Zeilen, die ich geschrieben habe, ist einiges passiert. Wir stecken mittlerweile mitten in der Saison, mit Matt hat uns ein Spieler verlassen und die Nationalmannschaftspause hat uns Zeit gegeben, an einigen Stellschrauben zu drehen. Die ersten Wochen waren positiv turbulent. Auswärtsfahrten im EuroCup, Heimspiele, Trainings, Besprechungen – das Pensum ist für Spieler und Coaches sehr hoch, aber das macht natürlich Laune. Als „Rookie Coach“ lerne ich jeden Tag weiter dazu, vor allem Ty unterstützt mich dabei. Wir versuchen zu jeder Zeit, unsere Jungs auf jedes Spiel perfekt vorzubereiten. Sie sollen auf jede Situation eine Lösung parat haben, dafür trainieren wir jeden Tag. Ich persönlich versuche natürlich auch, mich auf alles bestmöglich vorzubereiten.
Als Headcoach ist Anton Gavel natürlich ein gefragter Interviewgast. Foto: Merli
Doch es ist auch klar, dass es Dinge gibt, die anders sind, als man sie erwartet. So hat beispielsweise jeder Spieler ein gewisses Ego und klare Vorstellungen, was seine Ziele sind und wie er sich entwickeln will. Das ist auch gut so! Es wäre fatal, wenn jemand diese Eigenschaften nicht hätte. Aber die Ziele jedes Einzelnen mit denen der Mannschaft zu kombinieren, ist schwierig und nimmt viel Zeit ein – das habe ich zwar erwartet, aber nicht in diesem Ausmaß. Was Ziele und Vorstellungen angeht, haben wir alle uns den Saisonstart anders vorgestellt. Wir haben viele Spiele unglaublich knapp verloren, zwei davon in der Overtime. Die Mannschaft entwickelt sich weiter, die Jungs arbeiten hart – aber dennoch ist ein gewisser Druck spürbar. Als Trainer spüre ich den Druck mehr als zu meiner Spielerzeit. Wir – also auch Thorsten oder Ty – haben direkt mit der Presse und anderen Personen zu tun. Wir bekommen mehr mit als die Jungs und versuchen so, den Druck von ihnen zu nehmen.

Klar ist auch: Die Spieler leben nicht an der Realität vorbei, sie merken genau, was los ist, wenn Spiele verloren gehen und Erwartungen der Fans nicht immer erfüllt werden. Mir ist dabei wichtig: Wir konzentrieren uns weiter auf Basketball. Wir trainieren weiter hart und arbeiten an uns. Dafür ist dieser Druck auch notwendig. Ohne Druck entsteht nichts, ohne Druck spielt man für nichts. In solchen Phasen geht jeder damit anders um. Manche wollen das Negative absorbieren und über alles Bescheid wissen, was geredet wird. Manche wollen abgeschottet werden.

Alle Geschichten unserer Coaches gibt es in unserem Allianz Coaches Blog.
Meiner Erfahrung nach ist es am einfachsten, die Situationen zu erleben – auch wenn man damit am Anfang vielleicht nicht gut umgehen kann. Solche Erfahrungen muss jeder Mensch einfach sammeln, die sind logischerweise mit der Geburt nicht sofort da. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand Profibasketball spielt, vor einer Abschlussprüfung in der Schule steht oder eine wichtige Präsentation vor Kunden im Berufsalltag hält. Wenn man beispielsweise als Student oder Schüler vor einer wichtigen mündlichen Prüfung steht, ist es sicherlich hilfreich, sowas schon mal erlebt zu haben. Es gibt aber immer Situationen, mit denen man zum ersten Mal konfrontiert wird. Die muss man dann einfach erleben, auch wenn sie vielleicht nicht wie erhofft verlaufen – nur so kann es beim nächsten Mal besser werden.

Man sollte sich nicht davor scheuen, Verantwortung zu übernehmen und im Zweifel zu seinen Fehlern zu stehen. Druck sollte als etwas Positives wahrgenommen werden. Kein Druck heißt für mich, keine Ziele zu haben. Es geht darum - egal in welchem Bereich, ob im Sport, persönlich oder im Beruf - sich immer zu steigern, besser zu werden und das Beste aus sich zu machen. Und dazu gehört Druck, den man dann auch wahrnehmen muss. Daher stellen wir uns als Team auch der Situation, mit der wir selbst nicht zufrieden sind. Was uns dabei besonders hilft: eure Unterstützung in der Arena, im Campus oder bei zufälligen Begegnungen in der Stadt. Bis zur nächsten Begegnung, wo auch immer!
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