Suchen

Erst unter, jetzt über dem Radar

Javonte Green bringt sogar gegnerische Fans zum Applaudieren.

Mit 25 Jahren spielt Javonte Green zum ersten Mal in einer ersten Liga Europas. Und dennoch hat der US-amerikanische Flügelspieler in Ulm und der BBL direkt eingeschlagen. Seine Stationen in der dritten spanischen und zweiten italienischen Liga haben Green dabei auch geholfen.
 
Raunen in Oldenburg. Gefolgt von Applaus, gespickt mit Ekstase. Solche Emotionen sind im kollektiven Ulmer Gedächtnis mit keinen schönen Erinnerungen verknüpft: Wie an den 23. Mai 2017, als ein 27-Punkte-Vorsprung im zweiten Viertelfinalspiel nicht für den Sieg reicht und Rickey Paulding mit einem Buzzerbeater die Partie in die Verlängerung schickt – in der die Oldenburger das Momentum zum Ausgleich der Playoff-Serie nutzen. Oder an den 13. Oktober 2018, als die Ulmer in zwei Verlängerungen gehen und wieder mit einer Niederlage aus Olden-, pardon, Pauldingburg abreisen müssen. Und doch lässt sich etwas Positives aus dieser Partie mitnehmen: die Erkenntnis, einen der spektakulärsten Spieler der Basketball-Bundesliga in den Reihen zu haben. Denn für das Raunen und den Applaus beim Oldenburger Publikum sorgt ein Ulmer Akteur.
Über Ringniveau: Javonte Green fühlt sich in der Luft am wohlsten. Foto: Harry Langer
Es ist Mitte des dritten Viertels, die Ulmer liegen mit 46:55 zurück und haben Einwurf an der Grundlinie, unter dem Oldenburger Korb. Javonte Green nutzt einen Block von Dwayne Evans an der Dreierlinie, entledigt sich so seines Verteidigers Paulding, schneidet in die Zone, steigt nach oben und fängt das Alley-Oop-Anspiel von Per Günther in der dritten Etage, womit sich Green fast den Kopf am Ring stößt. Mit unglaublicher Wucht haut Green den Ball durch die Reuse, der Highlight-Dunk bringt sogar die Oldenburger Fans aus der Fassung.
 
„In dem Moment habe ich den Applaus gar nicht wahrgenommen“, blickt Green zurück, als wir uns die Sequenz zusammen ansehen. So ganz überrascht scheint der 25-jährige US-Amerikaner darüber aber nicht zu sein. Egal, ob heimische oder gegnerische Fans, erklärt Green, es gehe auch darum, eine Show abzuliefern – mache das doch den Basketball aus, bezahlen dafür die Zuschauer ihren Eintritt. Zudem erntet Green nicht das erste Mal Applaus vom Publikum des Gegners: „In Spanien habe ich das oft erlebt. Die Fans dort waren einen Spieler meines Kalibers, der aus der Halle springen kann, einfach nicht gewohnt. Dort, in der dritten Liga.“ Sieht man Green in dieser Saison durch die Arenen der BBL und des EuroCups fliegen, mag man es kaum glauben, dass der Flügelspieler seine Profikarriere wirklich in der dritten Liga Spaniens begonnen hat.

Unter dem Radar

Im Sommer 2015 startet Green seine Profikarriere in der spanischen Kleinstadt Marín, im Nordwesten der iberischen Halbinsel, nachdem er sein Leben zuvor immer in Virginia verbracht hat. Dort, genauer in Petersburg, wird er am 23. Juli 1993 geboren; in Brunswick geht er zur High-School; und in Radford vier Jahre lang aufs College. Mit dem Basketballteam der Uni, den Highlanders, bleibt Green die Qualifikation für das NCAA-Turnier, der großen „March Madness“, jedoch verwehrt. Stattdessen nimmt Radford zweimal am CBI-Tournament teil, ein eher zweitklassiges Turnier. Green ist sich bewusst, dass seine Karriere vielleicht anders verlaufen wäre, hätte er sich mit seiner Mannschaft für das NCAA-Turnier qualifiziert. Dennoch blickt Green auf „vier großartige Jahre“ zurück, in denen Teamkollegen zu Brüdern wurden, mit denen er noch heute spricht. Zudem war Radford das einzige College aus der NCAA-Division-I gewesen, das ihm nach seiner High-School-Zeit überhaupt ein Angebot unterbreitet hatte.
 
Der Weg zum Profibasketballer war für Green also alles andere als vorgegeben, zumal er auch eine andere Option hatte: Football. „In meinem letzten High-School-Jahr musste ich eine Entscheidung treffen. Doch nach der Football-Saison erhielt ich weniger Angebote als ich  erwartet hatte – für Football nur aus der Division-II“, schildert Green, was letztlich den Ausschlag für den Basketball gegeben hat. Diesen Weg bedauere er nicht, doch „noch ein letztes Spiel in einem Football-Trikot“ würde Green gerne absolvieren, wenn er die Zeit zurückdrehen könnte.   
Come fly with me! Javonte Green im Anflug. Foto: Alexander Fischer
Neben Basketball und Football spielt Green an der High-School auch Baseball und macht Leichtathletik. Mit Fokus auf Basketball wäre Green vielleicht zu einem früheren Zeitpunkt ein besserer Spieler gewesen, wie er zustimmt, „aber es hat mir auch hinsichtlich meiner Athletik geholfen“. Was Green bezüglich seiner Profikarriere derweil nicht hilft: dass er am College auf der Position des Power Forwards aufläuft – als 1,96-Meter-Mann. „Nach meiner College-Zeit wusste ich nicht, auf welcher Position ich spielen würde“, erklärt Green, warum es für ihn danach in die dritte spanische Liga ging. „Viele Teams werden sich nicht sicher gewesen sein, in welcher Rolle man ihn in Europa nutzen, und ob er überhaupt am Flügel spielen kann“, fügt Thorsten Leibenath hinzu. Damit ein College-Akteur in einer ersten Liga Europas bestehen kann, dafür sind dem Ulmer Coach zufolge bei Spielern von Greens Größe zwei Dinge entscheidend: „ein starker Drei-Punkte-Wurf und ein starkes Ballhandling“. Attribute, die Green am College als Power Forward nicht aufweisen musste.
 
Neben einem Angebot aus Belgien erhält Green nur ein paar weitere aus der dritten spanischen Liga. Marín ist für Green dennoch die beste Option, um „meine Karriere ins Rollen zu bringen und mich an die europäischen Regeln zu gewöhnen“. Green arbeitet den Sommer davor hart daran, sein Spiel vom Low-Post auf den Flügel zu verlagern. Und es zahlt sich aus: Mit Marín gewinnt Green nicht nur den Titel der dritten Liga Spaniens, der LEB Plata, er wird auch zum wertvollsten Spieler gekürt. Der Lohn: der Aufstieg in die zweite Liga Italiens. Mit Pallacanestro Triest schafft es Green in seinem ersten Jahr bis in die Endspielserie – dort zieht Triest aber mit 0-3 gegen Bologna den Kürzeren und verpasst den Aufstieg. „Das ist der einzige Grund, warum ich zurückgekommen bin“, erklärt Green das „unfinished business“ in Triest. Und in der Tat: Im zweiten Jahr feiert Triest den Titel und damit den Aufstieg, wie schon in Spanien heimst Green den MVP-Titel ein. „Es war großartig, das nicht nur für mich selbst, sondern auch für das Team, die Fans und die Coaches zu tun; zwei Coaches kamen direkt aus Triest. Nach meiner Vertragsverlängerung hatte ich sehr viel Liebe von den Fans erfahren. Triest ist für mich ein Zuhause weit weg von Zuhause.“
 
Text: Manuel Baraniak

Die komplette Story über Javonte Green und noch vieles mehr (z.B. das Portrait über Dwayne Evans) gibt's ab sofort im neuen OrangeZonge.Magazin #2 - designed by HALMA.
Ihr Browser ist leider veraltet.

Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser, um diese Website korrekt darzustellen. Den Browser jetzt aktualisieren

×