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„Ich wollte schon immer in Ulm spielen“

Interview: Big Man Bogdan Radosavljevic über seine achtjährige Karriere.

Nur wenige Spieler haben mit 25 Jahren bereits erlebt, was Bogdan Radosavljevic erlebt hat. Im Interview spricht „Boggy“ über seine Jugend zwischen Serbien und Deutschland, Kuchenverbote für Vlade Divac, den Wandel der Center-Position und das Positive an der verletzungsgeplagten ersten Ulmer Saisonhälfte.
 
Boggy, wie viele böse Nachrichten hast du diese Saison innerhalb der Liga an Freunde und ehemalige Mitspieler verschickt?
Radosavljevic: (schaut erst verwundert, fängt dann aber bald an zu schmunzeln) 
 
Bei MagentaSport lief dieser Clip, in dem andere BBL-Profis deinen Nachnamen buchstabieren sollten – mit überschaubarem Erfolg.
Radosavljevic: Da gab es schon böse Nachrichten. Viele von denen kenne ich gut: Mahir Agva, Basti Doreth, Niels Giffey. Das sind Leute, die meinen Namen eigentlich kennen sollten. Bezeichnend war: Der einzige, der es auf Anhieb richtig hatte, war David McCray – den kannte ich da gerade drei Wochen. 
 
Du giltst selbst als Spaßvogel. Teilst du auch mal Sprüche aus?
Radosavljevic: Auf jeden Fall. Ich fand das mit meinem Namen ja auch selbst lustig. Ich mag es, Spaß zu haben – und ich verarsche andere Leute gern. Für solche Sachen braucht es in jedem Team jemanden, das ist gut für die Stimmung. Aber so muss man von Natur aus sein, sonst wird das nicht funktionieren.
Um auf deinen Namen zurückzukommen: Du bist in Serbien geboren und hast deine ersten knapp 15 Lebensjahre dort verbracht. Im Jahr 2000 ist dann zunächst dein Vater hierher gezogen. Gab es davor überhaupt irgendwelche Verbindungen nach Deutschland?
Radosavljevic: Nein, null. Ich hatte bis dahin niemanden hier. Meine Eltern sind getrennt, seit ich drei Jahre alt war. Ich habe von da an bei meiner Mutter in Serbien gelebt, aber meinen Papa jeden Sommer hier in Deutschland besucht. Irgendwann haben sich meine Eltern darauf geeinigt, dass ich dauerhaft zu ihm nach Deutschland ziehe. In Serbien gab es damals für Jugendliche einfach keine Perspektive. 
 
Dein Papa Zoran war selbst Profi-Basketballer, hat viele Jahre in der serbischen Liga gespielt und später in Deutschland als Trainer gearbeitet. Gab es für dich sportlich jemals eine andere Option als Basketball?
Radosavljevic: Mit dem Hintergrund? Nicht wirklich. Aber was wenige wissen: Ich habe früher – so mit 11, 12, 13 Jahren – Latein getanzt neben dem Basketball. Bachata und so. Ich war sogar serbischer Meister. Ich habe die Urkunde immer noch irgendwo in Serbien. Ich muss die mal abfotografieren, weil mir das keiner glaubt. (lacht) Nebenher habe ich auch noch geboxt. In diesen zwei Sachen war ich gut, und eben im Basketball. Irgendwann bin ich dann so groß geworden, dass klar war: Das wird nichts mit dem Tanzen.
 
Hast du vom Tanz trotzdem etwas mitnehmen können für deine Basketball-Karriere?
Radosavljevic: Fußarbeit – und zwar richtig viel. Beim Bachata oder ChaChaCha ist Fußarbeit das A und O, genauso wie im Basketball. Du musst koordinativ gut unterwegs sein, sonst hast du keine Chance.
 
Stimmt es, dass dein Papa mit NBA-Legende Vlade Didac zusammen die Schulbank gedrückt hat?
Radosavljevic: Die haben später sogar zusammen gespielt. Zu Vlade gibt es eine witzige Geschichte: Bei uns in der Stadt – die war relativ klein – gab es viele Süßwarenläden und Vlade hat dort ständig einen gewissen Kuchen gekauft. Im Laufe der Zeit ist er davon richtig dick geworden. Also hat man sich abgesprochen, ihm keinen Kuchen mehr zu verkaufen. Jeder in der Stadt wusste: ‚Wenn Vlade in den Laden kommt, gebt ihm nichts Süßes!’      
Throw it down big man: Boggy beim Dunk. Foto: Alexander Fischer

„In Serbien gab es für mich keine Perspektive

Zurück zu dir: Du kommst also mit knapp 15 Jahren nach Deutschland – mitten in der Pubertät, ohne die deutsche Sprache zu sprechen. War es so schwierig, wie es klingt?
Radosavljevic: Es war nicht ohne, ja. Ich muss sagen: Da hat meine deutsche Stiefmama eine große Rolle gespielt. Sie war es, die mir mein Visum besorgt hat, denn mein Papa durfte das nicht – er hatte selbst keinen deutschen Pass. Und als ich dann hier war, hat sie mich jeden Tag mit Deutsch gequält nach der Schule. Ich war in einer Übergangsklasse, also einer Klasse mit 50 Kindern, die alle kein Deutsch sprachen. Lustig war: Nach vier, fünf Monaten in dieser Klasse habe ich angefangen, Lehrer zu spielen und unserer Klassenlehrerin geholfen, den anderen Deutsch beizubringen. Ich habe richtig schnell gelernt und bin bereits nach sieben Monaten mit einem Schnitt von 2,2 auf eine Realschule gekommen.
 
Und all das ohne Deutsch-Vorkenntnisse?
Radosavljevic: Komplett ohne. Als ich nach Deutschland gekommen bin, konnte ich genau zwei Dinge sagen: ‚Tschüss’ und ‚zwei für eins’. Mein Papa hatte mich mit elf Jahren mal hier in Deutschland in einen Laden geschickt: Ich sollte zwei Ein-Euro-Stücke in ein Zwei-Euro-Stück wechseln. Zwei für eins eben. Das ist hängen geblieben. (lacht)  
 
Auch sportlich hast du schnell Fortschritte gemacht und bist 2010 bereits vom DBB in den U17-Kader berufen worden. Der serbische Verband hat daraufhin eine Sperre gegen dich erwirkt. Wie hast du das erlebt?
Radosavljevic: Damals gab es in Hamburg die erste U17-Weltmeisterschaft. Dirk Bauermann hat alles probiert, damit ich so schnell wie möglich einen deutschen Pass erhalte. Allerdings habe ich für die WM auch eine Einladung vom serbischen Verband bekommen. Die wollten mich auch unbedingt. Das Ding war: Ich war hier auf der Schule, habe hier gelebt – wie sollte ich für Serbien spielen? Ich habe dann von der FIBA Post bekommen, in der stand, dass mich der serbische Verband sperrt. Wir haben das noch gedreht bekommen, aber es war total unnötig. Ich war kein 30-jähriger Profi, sondern ein Kind, das bei seinem Papa in der Oberliga-Mannschaft gespielt hat. Wir hatten mit dem DBB dann vor der WM ein Testspiel gegen Serbien, in dem ich 30 Punkte gemacht habe. (schmunzelt)   
Interview: Joshua Wiedmann
 
Wie es in Boggys Karriere weitergeht – und noch vieles mehr (z.B. das Portrait über Ra’Shad James oder die Titelstory mit Patrick Miller) lest ihr ab sofort im neuen OrangeZonge.Magazin #3 - designed by HALMA.

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